Agile Systementwicklung (AN)

Beschreibung

Wie in Teil 1: "Grundlagen des V-Modells " bereits erläutert wurde, stellt das V-Modell für unterschiedliche Projekttypen jeweils speziell angepasste Projektdurchführungsstrategien zur Verfügung. Die Projektdurchführungsstrategie Agile Systementwicklung (AN) beschreibt eine entsprechende Vorgehensweise für den Projekttyp Systementwicklungsprojekt eines Auftragnehmers.

Die Agile Systementwicklung (AN) basiert auf der Erkenntnis, dass es oft nicht möglich ist, die Anforderungen an ein System vorab zu definieren. Außerdem stellt sie sicher, dass nichts spezifiziert wird, was sich als nicht realisierbar herausstellt. Somit wird diese Strategie insbesondere verwendet, wenn Hohe Realisierungsrisiken im Projekt vorhanden sind. Änderungen an den Anforderungen werden über das Problem- und Änderungsmanagement verwaltet, im Entscheidungspunkt Änderungsplan festgelegt wird über die Annahme dieser Änderungen entschieden und sie werden im Rahmen der Systementwicklung auch regelmäßig eingeplant. Typisch für die Agile Systementwicklung (AN) ist darüber hinaus die Präsenz des Auftraggebers auf der Auftragnehmerseite während der Entwicklung. Dadurch kann der Auftraggeber Änderungswünsche sehr direkt übermitteln. Der Auftragnehmer entwirft, realisiert und liefert das System dann, ähnlich wie bei der Projektdurchführungsstrategie Inkrementelle Systementwicklung (AN), in einzelnen Stufen. Diese Stufen werden jede für sich vom Auftraggeber abgenommen. Für den Auftraggeber hat diese Vorgehensweise den Vorteil, dass er bereits frühzeitig in den Besitz eines lauffähigen Systems gelangt, das die wichtigsten Grundfunktionalitäten realisiert. Ferner ermöglicht sie eine frühzeitige Rückmeldung durch den Auftraggeber, die die Entwicklungsrisiken des Auftragnehmers minimiert.

Ablauf

Abbildung 31: Projektdurchführungsstrategie Agile Systementwicklung (AN)

Die Entscheidungspunkte der Projektdurchführungsstrategie Agile Systementwicklung (AN), sowie der Ablauf eines Entwicklungszyklus sind in Abbildung 31 dargestellt. Der Ablauf der agilen Systementwicklung unterscheidet sich von dem der inkrementellen Systementwicklung ab dem Entscheidungspunkt Projekt definiert:

  1. Der Auftragnehmer beginnt nun das System agil zu entwickeln und hält die Änderungen fest, die erforderlich sind, um erste Funktionalitäten des Systems zu realisieren. Diese werden im Entscheidungspunkt Änderungsplan festgelegt auf Tauglichkeit untersucht. Zusätzlich werden gegebenenfalls Vertragszusätze mit dem Auftraggeber vereinbart.
  2. Anschließend beginnt der Auftragnehmer mit der Realisierung der einzelnen Systemelemente. Hierzu ist selbstverständlich schon ein Grundverständnis der Systemarchitektur nötig, sowie die Information, welche Systemelemente realisiert werden sollen. Dies spiegelt sich jedoch noch nicht in einem Entscheidungspunkt wieder, da bei der agilen Systementwicklung an der Architektur und an weiteren Entwurfsentscheidungen ohne weiteres noch im Rahmen der Implementierung Änderungen vorgenommen werden können. Anhand der Prüfprotokolle wird überprüft, ob die einzelnen Systemelemente gemäß den Anforderungen des Auftraggebers realisiert wurden. Die Realisierung mündet schließlich in den Entscheidungspunkt Systemelemente realisiert.
  3. Im Falle einer positiven Entscheidung beginnt man im Anschluss, die Spezifikationen der Elemente zu erstellen. Die Korrektheit der Spezifikationen wird im Entscheidungspunkt Feinentwurf abgeschlossen geprüft.
  4. Bei positivem Ausgang werden die Elemente integriert und die korrekte Funktionalität des Systems wird anhand der Prüfprotokolle des Systems im Entscheidungspunkt System integriert untersucht.
  5. Wenn diese Prüfung ein positives Ergebnis hat, kann anschließend die Architektur des Systems sowie des Unterstützungssystems festgehalten werden. Die Tragfähigkeit dieser Architekturen wird im Entscheidungspunkt System entworfen untersucht.
  6. Im Anschluss wird die Spezifikation des erstellten Gesamtsystems erstellt, deren Korrektheit im Entscheidungspunkt System spezifiziert noch einmal überprüft wird.
  7. Wenn entschieden wird, dass das System so an den Auftraggeber geliefert werden kann, wird bei Lieferung durchgeführt die aktuelle Systemversion an den Auftraggeber geliefert.
  8. Der Auftragnehmer erwartet dann die Entscheidung des Auftraggebers, ob die aktuelle Lieferung seinen Anforderungen genügt. Der Auftraggeber prüft hierzu das gelieferte System. Im Entscheidungspunkt Abnahme erfolgt steht somit fest, ob die Lieferung den Anforderungen entsprochen hat, oder ob Nachbesserungen notwendig sind.
  9. Sollte der Auftraggeber keine weiteren Änderungen mehr wünschen, so wird nach Verfassen des Projektabschlussberichts im Entscheidungspunkt Projekt abgeschlossen darüber entschieden, ob das Projekt abgeschlossen werden kann. Sollten hingegen weitere Anpassungen erforderlich sein, werden die zur Entwicklung der nächsten Systemversion notwendigen Änderungen festgehalten und die Durchführung wird bei Punkt 1 fortgesetzt.

Auswahlkriterien

Projektgegenstand

Eingebettetes System, HW-System, Komplexes System, SW-System, Systemintegration

Projektrolle

Auftragnehmer, Auftragnehmer und Auftraggeber

Systemlebenszyklusausschnitt

Entwicklung

Hohe Realisierungsrisiken

Ja

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